Sport und Science Fiction

Ich werde oft gefragt, was Sport und Schreiben miteinander zu tun haben, und tatsächlich gibt es zwischen beiden Bereichen eine starke Verbindung. Sport, wie ich ihn verstehe, ist nämlich in Wirklichkeit Science Fiction. Und das trifft sich so.

Als junger Mann mit ein Diplom in Physik und einer Handvoll veröffentlichter Science-Fiction-Kurzgeschichten fand ich meinen Zungang zum Sport über Sportklettern. Was mich daran am meisten faszinierte, war die Möglichkeit, die Welt sprichwörtlich auf den Kopf zu stellen. Ich bestaunte meine kletternden Physikerkollegen, wie sie in einer Kletterhalle im Vorstieg in zehn Metern Höhe das Hallendach entlangbewegten. Das erschien mir so herrlich absurd, dass es mich nicht mehr losließ. Noch heute fasziniert mich dieser Aspekt am meisten: die Möglichkeit, mich in scheinbar menschenfeindlichem Gelände aufzuhalten. Deshalb interessieren mich schwierige Routen: je schwieriger, desto glatter sind die Wände, desto überhängender das Gelände.

Wirklich die Augen geöffnet hat mir aber das Freitauchen. Ich habe nicht gleich verstanden, warum mich Tauchen mit Druckluftflasche kaum reizt, stupides Luftanhalten mit Stoppuhr in der Hand als Training umso mehr.

Es ist die Beziehung des Körpers zu seiner Umgebung ist, um die es mir geht. Das Freitauchen ist deshalb so ein erstaunlicher Sport, weil es Menschen gelingt, ihren Körper so weit anzupassen, dass sie sich unter Wasser wie Delfine bewegen können. Fünf Minuten die Luft anzuhalten, ist mit etwas Training möglich. Und die effizienteste Art, sich unter Wasser zu bewegen, ist das Schwimmen mit einer „Monofin“. Damit sieht man aus wie eine Meerjungfrau und die Schwimmbewegung ist der eines Delfins täuschend ähnlich. Menschen können damit über 100 Meter tief tauchen. Doch dabei wird nicht die Unterwasserlandschaft beobachtet wie beim Flaschentauchen, manche Freitaucher wie Gillaume Nery tragen beim Tauchen keine Masken und sind praktisch blind. Auch ich liebe die unscharfe Optik unter Wasser, wenn ich keine Maske trage. Es gibt den Spruch, dass Flaschentaucher ins Meer abtauchen, Freitaucher hingegen in sich selbst. Das ist für mich das Entscheidende. Es geht darum, das Wechselspiel zwischen Wasser und Körper zu spüren – die Empfindungen in sich aufzunehmen, die entstehen, wenn der eigene Körper von der Natur an seine Grenzen gebracht wird. Das ist für mich, trotz der Blindheit unter Wasser, eine intensivere Naturerfahrung als so manches Instagram-taugliche Bergpanorama oder ein wunderschönes Korallenriff.

Und hier kommt die Science Fiction ins Spiel. Es gibt nämlich eine philosophische Strömung, die stark von Science Fiction inspiriert ist, und die sich Transhumanismus nennt. Dabei geht es um verschiedene Formen der Umgestaltung des menschlichen Körpers mit technischen und wissenschaftlichen Mitteln. Das beinhaltet künstliche Gliedmaßen und verbesserte Sinnesorgane genauso wie die Anwendung verschiedenster medizinischer Mittel, ohne das Ziel, eine Krankheit zu kurieren. Der letzte Punkt ist entscheidend. Es geht hier um den Körper als Gestaltungsraum.

Genau dieser Aspekt interessiert mich an meinen Sportarten. Natürlich habe ich keine künstlichen Gliedmaßen, doch wenn ich trainiere, eröffne ich mir neue Möglichkeiten. Ich kann fast ohne Hilfsmittel durch überhängendes Gelände klettern oder minutenlang unter Wasser verbringen. Alles aus eigener Kraft, so, wie ich hier sitze. Ich kann zum Fisch oder zum Affen werden, indem ich genetisch angelegte Programme abrufe. Und es gibt weitere starke Analogien zum Programmieren, etwa die Art und Weise, wie Trainigszeiten und Ruhezeiten organisiert werden.

Wettkämpfe sind eine schöne Sache, wenn sie freundschaftlich und respektvoll stattfinden. Aber sie werden nie mehr als eine symbolische Rechtfertigung für den wunderbaren Prozess der Vorbereitung sein, der für mich ein transhumanistisches Erlebnis ist – eine Selbstprogrammierung des eigenen Körpers, um mit ihm unbekannte Welten zu erkunden, die oft innere Welten sind.

Hier ein Artikel, den ich für den FWF über die Gruppe des Biotechnologen Markus Schmidt geschrieben habe. Das Gespräch hat mir einige neue Aspekte des Transhumanismus aufgezeigt hat und mich sehr inspiriert. Enjoy!

https://scilog.fwf.ac.at/biologie-medizin/13981/leben-im-koerper-der-zukunft

(Pic von Daniel Peis)